Sechs unangenehme Wahrheiten über Cybersicherheit, die jede Führungskraft kennen sollte

Wenn es um Cybersicherheit geht, sprechen viele lieber über Erfolgsgeschichten, neue Tools oder glänzende Schutzschilder. Die unbequemen Wahrheiten, also jene Realitäten, die keine Technologie vollständig aus der Welt schaffen kann, werden jedoch oft verdrängt.
Gerade für Führungskräfte wie CEOs, CMOs, CDOs oder Vorstandsmitglieder ist das Anerkennen dieser Wahrheiten entscheidend, denn es trennt reaktive Unternehmen von wirklich widerstandsfähigen Organisationen.
Im Folgenden finden Sie sechs Wahrheiten, die Sie kennen und besser heute als morgen adressieren sollten.

TL;DR 

  • Kein Schutz ist perfekt – planen Sie mit Kompromittierungen und setzen Sie auf Resilienz statt Perfektion.
  • Menschen bleiben das größte Risiko – Schulungen, Identitätskontrollen und Verhaltensanalysen sind unerlässlich.
  • Cybersicherheit ist nie „fertig“ – sie erfordert ständige Updates, Tests und aktuelle Bedrohungsanalysen.
  • Der wahre Schaden eines Angriffs liegt oft in Vertrauensverlust, Image und versteckten Kosten.
  • Compliance ist notwendig, aber nicht ausreichend – echte Sicherheit beginnt über Checklisten hinaus.
  • Sicherheit, Benutzerfreundlichkeit und Innovation stehen oft im Spannungsfeld – es geht um Balance, nicht Extreme.
  • Diese Wahrheiten werden sich bis 2026 noch verschärfen,  durch KI-basierte Angriffe, zunehmende Cloud-Komplexität und wachsenden regulatorischen Druck.

Wahrheit Nr.1: Eine Sicherheitsverletzung ist immer möglich, bauen Sie auf Resilienz, nicht auf Perfektion

Jede erfahrene Fachkraft für IT-Sicherheit wird Ihnen dasselbe sagen: Die Frage ist nicht, ob Sie gehackt werden, sondern wann.
Etwas milder formuliert: Eine Sicherheitsverletzung ist immer möglich. Kein System bleibt ewig unangreifbar. Der entscheidende Unterschied zwischen Unternehmen liegt darin, wie gut sie darauf vorbereitet sind, Angriffe zu erkennen, einzudämmen und sich davon zu erholen.
Aktuelle Zahlen verdeutlichen das:
  • Die durchschnittliche Zeit, um eine Sicherheitsverletzung zu identifizieren, liegt bei rund 194 Tagen, und weitere 292 Tage vergehen im Schnitt bis zur vollständigen Eindämmung.
  • Über 60 % aller Angriffe beinhalten in irgendeiner Form den „Faktor Mensch“.
  • Laut GOV.UK erleben 67 % bis 74 % aller mittleren und großen Unternehmen jedes Jahr mindestens einen Cyberangriff oder eine Sicherheitsverletzung.
Diese Zahlen zeigen deutlich: Prävention allein reicht nicht aus.
Anstatt einem unerreichbaren „perfekten Schutzschild“ hinterherzujagen, sollten Führungskräfte auf Widerstandsfähigkeit (Resilienz) setzen, also auf Strukturen, die Angriffe überstehen können.

Was das für Führungskräfte bedeutet: 

  • Investieren Sie nicht nur in Firewalls, sondern auch in Monitoring, Bedrohungserkennung und Incident Response.
  • Erstellen und trainieren Sie regelmäßig einen Incident Response Plan.
  • Führen Sie Simulationen oder „War Games“ durch, um die Reaktionsfähigkeit der Teams zu testen.
  • Richten Sie Verträge, SLAs und Partnerschaften auf schnelle Reaktion und Wiederherstellung aus, nicht nur auf Prävention.

Wahrheit Nr.2: Der Mensch bleibt das schwächste (aber unvermeidbare) Glied

Technologie steht oft im Fokus, doch der Mensch ist nach wie vor die häufigste Ursache für Sicherheitsvorfälle. Sei es Phishing, Fehlkonfigurationen oder die leichtfertige Handhabung von Daten: Menschliches Versagen ist tief im Risiko verankert.
  • 52 % aller Sicherheitsvorfälle gehen laut Studien direkt auf menschliches Fehlverhalten zurück.
  • CISOs nennen den „Faktor Mensch“ als größte Sicherheitsbedrohung.
  • Selbst Führungskräfte sind Zielscheiben, durch Social Engineering, Vishing oder gezielte Phishing-Angriffe.
Da Menschen unvermeidbar sind, muss Cybersicherheit sie aktiv einbeziehen, nicht ignorieren.
Was hilft:
  • Regelmäßige, praxisnahe Sicherheitsschulungen, keine einmaligen Module.
  • Least-Privilege-Prinzip und klare Rollentrennung einführen.
  • Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA) und Single Sign-On (SSO) konsequent nutzen.
  • Verhaltensanalysen einsetzen, um ungewöhnliche Aktivitäten zu erkennen.

Wahrheit Nr.3: Sicherheit ist kein Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess

Viele Unternehmen betrachten Cybersicherheit als abgeschlossenes Projekt: „Wenn wir Tool X implementiert haben, sind wir sicher.“
Doch die Bedrohungslage verändert sich täglich. Es entstehen ständig neue Schwachstellen, Akteure und Angriffsmethoden.
  • 2024/2025 wurden über 30.000 Software-Schwachstellen gemeldet, ein Anstieg von 17 % gegenüber dem Vorjahr.
  • Ein Drittel aller Angriffe nutzt veraltete oder ungepatchte Systeme.
  • Legacy-Systeme und Schatten-IT werden mit der Zeit zu neuen Einfallstoren.
Was resiliente Unternehmen tun:
  • Kontinuierliches Schwachstellenmanagement und Threat Intelligence betreiben.
  • Red-Teaming oder Penetrationstests regelmäßig durchführen.
  • Strikte Patch-Disziplin und Lebenszyklus-Management für Software einhalten.
  • Alte Systeme konsequent ausmustern.

Wahrheit Nr.4: Der eigentliche Schaden geht über den Angriff hinaus

Viele Führungskräfte unterschätzen den tatsächlichen Schaden, der durch einen Sicherheitsvorfall entsteht.
Die direkten Kosten für Forensik, Wiederherstellung, Rechtsberatung oder Bußgelder sind bereits hoch.
Indirekte Schäden wie Vertrauensverlust, Reputationsschäden, Kursverluste oder eine langfristige Kundenabwanderung wiegen jedoch oft schwerer.
Ein Beispiel: Capita wurde 2025 mit einer Strafe von 14 Millionen Pfund belegt, nachdem sensible Daten von Millionen Menschen offengelegt wurden.   In Branchen mit Datenschutzgesetzen (z. B. DSGVO, HIPAA) vervielfachen Verstöße die Risiken.
Was Führungskräfte tun sollten:
  • Cybersicherheit als strategisches Risiko begreifen, nicht nur als IT-Thema.
  • Cyberrisiken in das Enterprise Risk Management integrieren.
  • Sicherheitskennzahlen (z. B. MTTR, Dwell Time, Vorfallsanzahl) im Board Reporting berücksichtigen.
  • Cyberversicherungen und Third-Party-Risk-Strategien prüfen.

Wahrheit Nr.5: Compliance ist hilfreich, kann aber keine Sicherheit ersetzen

„Wenn wir alle Compliance-Anforderungen erfüllen, sind wir auf der sicheren Seite.“ Diese Annahme ist jedoch gefährlich. Zwar definiert Compliance Mindeststandards, doch echte Angreifer halten sich nicht an Vorschriften.
  • Frameworks wie PCI-DSS, HIPAA oder GDPR setzen Basis-Kontrollen, decken aber nicht neue Bedrohungen ab.
  • Viele Angriffe nutzen Fehlkonfigurationen, Credential Stuffing oder API-Missbrauch, die außerhalb klassischer Compliance liegen.
  • Übermäßiger Fokus auf Audits schafft blinde Flecken: Man besteht Prüfungen, bleibt aber angreifbar.
Besser:
  • Compliance als Grundlage, nicht als Endziel sehen.
  • Ergänzen Sie durch Bedrohungsmodellierung, Zero-Trust-Ansätze und Adversary Simulation.
  • Compliance und Nicht-Compliance-Lücken parallel überwachen.

Wahrheit Nr.6: Zwischen Sicherheit, Nutzerfreundlichkeit und Innovation ist Balance gefragt

Sicherheit existiert nie im luftleeren Raum. Führungskräfte müssen ständig einen Spagat zwischen Schutz, Effizienz und Benutzererlebnis schaffen. Zu viel Sicherheit lähmt Prozesse, zu wenig öffnet Türen für Risiken.
Das richtige Gleichgewicht:
  • Sicherheit früh in Produktdesign und Strategie integrieren.
  • Security Champions in Entwicklungs oder Marketingteams einbinden.
  • Risikobasierte Entscheidungen statt „Alles oder nichts“Ansätze treffen.
  • Feedback-Loops nutzen: Wenn Sicherheitsmaßnahmen zu restriktiv sind, nachjustieren.

Ausblick auf 2026: Worauf Sie sich einstellen sollten

Diese Wahrheiten werden nicht verschwinden, sondern sich verschärfen. Bereits jetzt zeichnen sich folgende Trends ab:
  • KI-basierte Angriffe und Verteidigung: Generative KI erleichtert Social Engineering, aber auch die Mustererkennung auf Abwehrseite.
  • Cloud-native Komplexität: Mehr Workloads in Cloud und Microservices vergrößern die Angriffsfläche.
  • Zero Trust und Identity-first Security werden zum Standard.
  • Regulatorischer Druck steigt mit strengeren EU-Vorgaben und internationalen Richtlinien.
Der notwendige Mindset-Wandel ist klar: von einer reaktiven hin zu einer proaktiven, resilienzorientierten Sicherheitskultur.
Diese Wahrheiten sollen keine Angst machen, sondern Orientierung bieten.
Wer sie akzeptiert, kann gezielt Prioritäten setzen, wirkungsvolle Schutzmaßnahmen aufbauen und sein Unternehmen auf das Unvermeidliche vorbereiten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert